Acht Städte, sechs Senioren, ein falscher Name und der Sommer meines Lebens | von Jen Malone | Verlag: Magellan | erschienen am 18.01.2018 | Übersetzer: Jessika Komina und Sandra Knuffinke | Hardcover | 320 Seiten | 17.00€ (D) Kaufen?*
Meine Meinung.
Ein Roadtrip mit Senioren in Europa, ein Mädchen Undercover unterwegs für ihre Schwester und ein unvergesslicher Sommer, das klingt alles nach einer sehr tollen Geschichte, in die ich mich schon lange vor Erscheinen der deutschen Ausgabe von Wanderlust sehr gefreut habe. Auch das Design des Buches finde ich rundum gelungen und es ist sehr schön anzusehen. Umso enttäuschter war ich dann, als mich Jen Malones Werk auf ganzer Linie enttäuscht hat.
Angefangen hat das mit der Protagonistin Aubree und ihrer Schwester Elizabeth. Es gibt Protagonisten, mit denen ich, ganz egal welchen Charakter sie haben, grundsätzlich nicht warm werde. Das war bei Aubree nicht der Fall und zu Beginn fing ich an sie zu mögen bis mir ihr Charakter auffiel, der alles andere als liebenswert ist. Aubree ist unglaublich nervig, trotzig und steht nicht für andere ein, obwohl sie es von allen verlangt. Auch zu Beginn des Roadtrips und auch über weite Teile von diesem ist sie voller Vorurteilen und hat einfach eine Art an sich, die mich einfach nur genervt hat. Das Verhältnis zu ihrer großen Schwester Elizabeth schwankte ohne erkennbaren Grund zwischen „sie ist meine beste Schwester überhaupt“ und „ich komme gar nicht mit ihr klar“ und ich konnte bis zum Ende hin nicht erkennen, wie das Verhältnis zwischen den beiden nun wirklich ist.
Alle weiteren Charaktere blieben leider sehr blass, seien es die Senioren aus Aubrees Reisegruppe oder aber Sam, in den sie sich während des Buches verliebt. Auch die Beziehung zu Sam, ebenso wie die Beziehung zu ihrer Schwester, fand ich schwierig nachvollziehbar. Mir ging alles zwischen den beiden viel zu schnell und war für mich schlichtweg nicht glaubhaft dargestellt. Insgesamt bin ich aber generell kein Fan von InstaLove-Beziehungen.
Am meisten störte mich allerdings die Art und Weise, wie der Roadtrip bzw. die Reise der Senioren beschrieben wurde. Direkt beim ersten Halt in Amsterdam, eine Stadt, die ich sehr liebe und sehr schätze, sind mir die extrem klischeehaften und verletzenden Äußerungen aufgefallen, die beschrieben werden. Auch bei den Stops in Deutschland und Österreich sind mir diese aufgefallen, später aber nicht mehr, da ich die dann bereisten Länder nicht so genau kenne. Falsche oder klischeehafte Äußerungen stammen teils von der Autorin, teils sind es aber auch sprachliche Fehler (beispielsweise Holland/holländisch und Niederlande/niederländisch) die seitens der Übersetzung bestehen. Meiner Ansicht nach, und ich kann es leider nicht anders ausdrücken, spiegelt dieses Buch für mich eine falsche, klischeehafte und schlichtweg verletzende Sichtweise auf die europäischen Kulturen wieder. Insgesamt bleibt die Reise selbst, die ja durch Titel und Klappentext, sowohl der deutschen als auch der englischen Ausgabe, ehr beworben wurde, stark im Hintergrund. Das kenne ich von anderen Roadtrip- und Reise-Romanen anders. Hier hält sich meine Enttäuschung allerdings in Grenzen, da ich gut und gerne auf weitere Klischees und Vorurteile verzichten kann. Insgesamt glaube ich zum Thema Darstellung der Kultur ohnehin, dass dieses Buch vielleicht in Amerika funktionieren kann, jedoch nicht in einem der europäischen Länder, die im Zuge der Handlung besucht werden oder in Europa überhaupt.
Das ganze möchte ich gerne an einigen Zitaten aus dem Buch verdeutlichen:
Ich glaube nicht, dass es ein holländisches Scrabble gibt. Wenn dann ein niederländisches. Dieser Fehler ist vermutlich auf die Übersetzung zurückzuführen, die das jedes Mal falsch übersetzt hat. Ich übersetze doch german auch nicht mit bayrisch. Was ist da los? Dass Niederländer groß sind, komische Schuhe tragen und merkwürdig schnell sprechen höre ich zum ersten Mal und ich weiß auch nicht, woher die Klischees kommen? Auch habe ich noch kein Kiosk in Amsterdam gefunden, in dem es 40 Lakritzsorten gibt. Generell sind es doch die Schweden mit dem gesalzenen Lakritz oder?!
Oh da hat aber jemand tief in die Klischeekiste gegriffen. Mal ganz davon abgesehen, dass es auf dem Weg vom Bahnhof zum Dam Square keine Souvenierläden gibt und auch kein Rotlichtviertel (das in den Auslassungen beschrieben wurde), halten sich die Souvenierläden meiner Ansicht nach in Amsterdam wirklich sehr zurück. So vielen könnte sie bei ihrem meilenweiten Umweg nun wirklich nicht begegnet sein. Dafür liegen auf der Strecke zwischen Bahnhof und Dam wirklich schöne Restaurant, hochwertige Hotels und Einkaufsstraßen und, je nachdem wo man lang geht, auch der Spui. Auf diesem Straßenabschnitt reiht sich eine Buchhandlung an die nächste. Am meisten schockiert hat mich aber die Tatsache, dass mehrmals eine Penisstatue erwähnt wird, die auf dem Dam Square steht. Es gab in Amsterdam mal einen Penisbrunnen, der aktuell so nicht mehr existiert. Auf dem Dam Square gibt es aber nur eine Statue und das ist das Nationaal Monument. Das durch eine Penisstatue zu ersetzen, finde ich schlichtweg erschreckend.
Hat jetzt nichts mit Kultur zu tun, verdeutlicht aber meiner Meinung ganz gut den Charakter der Protagonistin.
Weitere Rezensenten
Vielen lieben Dank an den Magellan Verlag für die Bereitstellung des *Rezensionsexemplars.
Ivy meint
Liebe Jule,
erst einmal möchte ich dir fürs Verlinken danken! Danke! 🙂
Ich bin froh darüber jemanden gefunden zu haben, der das Buch nicht in den höchsten Tönen lobt, sondern dem die negativen Seiten ebenfalls aufgefallen sind <3 ich bin dir auch unglaublich dankbar dafür, dass du auf die gesamten Klischees eingegangen bist und darauf, wie unter der Gürtellinie manche Aussagen tatsächlich waren, was ich in meiner Rezension nicht angesprochen habe.
Ich konnte mit dem Buch leider gar nichts anfangen und es ist eines der wenigen, bei denen ich es tatsächlich bereue, Geld dafür ausgegeben zu haben.
Danke für diese großartige und ehrliche Rezension!
Liebste Grüße
Ivy
Nicci Trallafitti meint
Liebe Jule,
ach wie schade. Ich habe das Buch noch vor mir und bin sehr gespannt, ob ich es auch so doof finden werde.
Habe deine Rezension und die Zitate überflogen, aber das was ich gelesen habe fand ich schon irgendwie unangenehm.
Die Klischees wirken irgendwie an den Haaren herbeigezogen.
Naja, kann man nix machen. Ich finde es toll, dass du so ehrlich bist! 🙂
Danke für die Rezension.
Liebe Grüße,
Nicci