Gerne würde ich dies heute als Rezension bezeichnen, dennoch bin ich der Ansicht, dass es hier um viel mehr gehen muss, als die Wiedergabe meiner Meinung. Deshalb lasst es auch direkt am Anfang gesagt sein: Die Spinne von Maschhad ist eine der großartigsten Graphic Novels, die ich in diesem Jahr gelesen habe.
Eine kleine Einführung in Die Spinne von Maschhad
In der Graphic Novel geht es um die Spinne von Maschhad, Said Hanai. Er tötete 2000 und 2001 mindestens sechszehn, wenn nicht sogar mehr Prositituierte. Erschreckend, wenn ich nun sage, dass es sich hierbei nicht um eine fiktive Geschichte handelt oder? Doch wie kommt es, dass das Schicksal von Said Hanai in einer Graphic Novel verarbeitet ist und was sind die Hintergründe seiner Tat? Darum soll es heute gehen.
Maschhad ist die zweitgröße Stadt Irans und zugleich die Hauptstadt der Provinz Radhawi-Chorasan. Sie liegt im Nordosten des Landes, 850 km nordöstlich von Teheran. Die Stadt gilt als eine der sieben heiligen Stätten des schiitischen Islams: Dort befindet sich der heilige Schrein des achten schiitischen Imams Reza als einzige Grabstätte eines schiitischen Imams im Iran. Heute wird Maschhad regiert von Ayatollah Ahmad Alamolhoda, der als fundamentalistischer Hardliner gilt. Er befürwortet die Trennung von Männern und Frauen an Universitäten und ist der Meinung, dass Frauen, die sich nicht komplett verschleiern, die “schlimmste aller Sünden” begehen. Nur damit wir uns hier einfach mal bewusst machen, in welchem Rahmen wir uns bewegen.
Nun ist es aber nicht so, dass in dieser “Heiligen Stadt” alle Gesetze befolgt werden und sich jeder so verhält, wie es Ayatollah Ahmad Alamolhoda oder der Koran vorschreiben. Wo wäre das schon so. Es gibt Armut, Drogensucht und Prostitution und hier kommt Said Hanai ins Spiel. Die Spinne von Maschhad, Maurer von Beruf und Familienvater. Er brachte – überzeugt davon, die Vorschriften des Korans genau zu befolgen – mehrere Frauen um und wurde in Folge dessen verurteilt und hingerichtet. Sehr zum Protest der Öffentlichkeit wohlgemerkt.
And Along Came A Spider
Doch wie entstand aus diesem Fall nun eine Graphic Novel? Maziar Bahari, 1967 in Teheran geboren, ist ein persisch-kanadischer Journalist, Filmemacher und Menschenrechtsaktivist. Er hat eine sehr spannende Vergangenheit: Im Juni 2009 wurde er inhaftiert, da er die Demonstrationen in Teheran und anderen iranischen Städten gefilmt hat, wurde durch das Revolutionsgericht zu dreizehn Jahren Haft verurteilt, konnte jedoch gegen Kaution freikommen und aus dem Iran fliehen. Seine Untersuchungshaft verarbeitete er in They Came For Me (2011), was 2014 unter dem Titel Rosewater verfilmt wurde. Nun wird es aber hinsichtlich unserer Graphic Novel spannend: Bahari drehte den Dokumentarfilm And Along Came A Spider über das Interview mit Said Hanai, seiner Familie, Nachbarn und dem Untersuchungsrichter Mansouri. Der Film darf im Iran nicht gezeigt werden, ist jedoch im Internet zu finden.
Mana Neyestani, auch geboren in Teheran, allerdings erst 1973, gehört zu den populärsten iranischen Cartoonisten. Auch er musste 2006 ins Gefängnis, konnte jedoch fliehen und lebt dank “Reporter ohne Grenzen” derzeit in Frankreich. Er erhielt, nachdem er im Internet auf And Along Came A Spider gestoßen war, Baharis Genehmigung den Film in eine Graphic Novel umzuwandeln und so entstand Die Spinne von Maschhad. Somit halten wir mit dem Comic tatsächlich einen adaptierten Dokumentarfilm in den Händen, der das Ereigniss noch einmal auf ganz andere Art aufgreifen und zur Geschichte machen kann. Er erzählt alles auf der Ebene der Erzählung selbst und auch auf einer Metaebene durch Darstellung der Interviews und anderem Material. Für mich tatsächlich ein Meisterwerk, das ich allen uneingeschränkt empfehlen möchten. Interessant, spannend und zugleich schockierend und augenöffnend!
Infos zum Buch
Die Spinne von Maschhad | von Mana Neyestani | Verlag: Edition Moderne | erschienen am 20.06.2018 | Übersetzer: Christoph Schuler | Softcover | 160 Seiten | 22.00€ (D) Kaufen?*
Habt ihr schon einmal von der Spinne von Maschhad gehört?
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